Herbert Schmidt GmbH
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Die Trauerrednerin Anette Schmidt spricht oft statt eines Pfarrers das letzte Geleitwort bei Beerdigungen. Tina Full-Euler hat mit ihr über Menschenkenntnis, die Erwartung der Angehörigen und schwierige Momente gesprochen.
Frau Schmidt, seit einem
halben Jahr bietet Ihr Bestattungshaus einen besonderen Service an: Wenn
die Angehörigen es wünschen, halten Sie die Trauerrede. Was können
Sie, was ein Pfarrer nicht kann?
Ein Pfarrer macht eine Bestattung
unter dem kirchlichen Aspekt. Der Pfarrer kann auch auf die Biografie eingehen,
aber das macht nicht jeder Pfarrer. Wenn es den Leuten - und das ist in
der Regel so - sehr wichtig ist, dass in einer Trauerrede auch die Biografie
zur Geltung kommt, kann ich darauf natürlich sehr gut eingehen.
Gehen Sie nur mehr und
anders oder auch besser darauf ein?
Das kann ich so nicht sagen.
Dem einen gefällt es, dass ich wirklich nur über die Biografie
spreche, ein anderer hätte vielleicht lieber nur Bibelverse gehört.
Bestattungen sind eine ganz individuelle Sache. Ich kann als Trauerredner
auf Wunsch auch einen Segen oder ein Gebet sprechen. Denn ich bin getauft,
ich bin evangelisch und dann darf ich das. Ich darf es nur nicht in einer
Kirche, denn dort wäre es eine Amtshandlung. Bestimmte Rituale haben
meiner Erfahrung nach für die Hinterbliebenen etwas Tröstendes,
etwa ein Vater unser oder der Erdwurf.
Wer Bibelverse hören
möchte, könnte doch auch einen Pfarrer nehmen?
Angehörige können
einen Pfarrer nur für einen Verstorbenen nehmen, der auch in der Kirche
war. Sonst muss das in der Regel ein Trauerredner machen, denn derjenige
hat keinen Anspruch auf einen Pfarrer. Er hatte ja auch einen Grund gehabt,
warum er aus der Kirche ausgetreten ist. Es gibt aber auch manchmal den
Fall, dass der Pfarrer für einen konfessionslosen Verstorbenen die
Trauerfeier gestaltet, weil er sich der Familie verbunden fühlt.
Wer ist Ihre Klientel?
Nur Angehörige von Verstorbenen, die nicht in der Kirche waren, oder
auch der Kirche zugewandte Familien, die sich ganz bewusst eine andere
Art der Beerdigung wünschen?
Es kann auch schon einmal
sein, dass die Angehörigen sagen: Wir möchten gerne, auch wenn
er in der Kirche war, dass Sie die Rede halten. Der eine war zum Beispiel
zuvor auf einer kirchlichen Bestattung, bei der von der Biografie her nichts
rüberkam. Ein anderer hat sich geärgert, weil man den Pfarrer
kaum verstanden hat. Aber natürlich versuche ich, mich nicht in die
Kirche reinzudrängen, weil ich denke, wer in der Kirche war, sollte
auch eine kirchliche Bestattung bekommen. Allerdings werde ich den Leuten
ihren Wunsch auch nicht abschlagen. Denn es ist die Entscheidung der Angehörigen,
welchen Abschied sie sich wünschen.
Viele, die aus der Kirche
ausgetreten sind oder nicht mehr so mit der Kirche groß geworden
sind, haben einen großen Teil ihres Lebens und den Tod noch vor sich.
Ist Trauerredner also ein Beruf mit Zukunft?
Man muss sehen, wie sich
der Trend entwickelt. Aber ich sehe momentan einen Wandel, nämlich
dass viele wieder Wert darauf legen, die Kinder taufen zu lassen.
Gerade hier in Bad Vilbel ist das Kirchenleben sehr aktiv.
Trauerredner ist keine
geschützte Berufsbezeichnung. Könnte sich jeder so nennen?
Ja.
Was sollte ein guter Redner
an Eigenschaften mitbringen?
Menschenkenntnis. Er muss
mit Menschen umgehen können, die trauern. Er sollte ein gepflegtes
Erscheinungsbild haben und sich gut ausdrücken können.
Sie haben dafür eine
Zusatzqualifikation erworben. Was haben Sie dabei gelernt?
Ich habe in einem Seminar
gelernt, wie man die Trauergemeinde anspricht, dass die Rede eine gewisse
Lyrik enthalten sollte, etwa ein Gedicht oder Verse. Das lockert auf. Wichtig
sind natürlich auch Biografie und Transzendenz.
Was qualifiziert Sie noch?
>Ich habe den Vorteil, dass
ich Erfahrungswerte sammeln konnte und kann, weil ich ja selbst Bestattungen
durchführen darf. Dabei habe ich sehr viele Reden gehört. Und
manchmal dachte ich mir: Dies oder das hätte man besser machen können.
Ich finde es nicht fair, immer nur zu kritisieren und es nicht auch einmal
selbst zu versuchen.
Was zeichnet eine gute
Rede aus?
Auch das ist ganz unterschiedlich,
je nachdem, was sich die Angehörigen wünschen. Hauptsächlich
möchten die Leute etwas über den Verstorbenen hören. Dazu
greife ich Stationen seines Lebens heraus. Wie zum Beispiel kürzlich
bei jemandem, der wurde 1934 geboren, war als Zehnjähriger Vollwaise
und auf sich allein gestellt. Er sollte in Danzig als Flüchtling auf
ein Schiff kommen. Dieses Schiff wurde damals torpediert und ging mit den
Flüchtlingen an Bord unter.
Und der Junge?
Der Junge hatte das Schiff
schlichtweg verpasst und deswegen überlebt. Für eine gute Rede
sollte man aber auch nachgucken, welche speziellen Ereignisse es etwa in
dem Jahr gab, als der Verstorbene geboren wurde. Damit man einfach die
Zeit versteht, die dieser Mensch durchlebt hat.
Welche Worte finden Sie
für einen Mensch, der - freundlich ausgedrückt - Ecken und Kanten
hatte?
Eine gute Rede sollte den
Verstorbenen nicht nur in den Himmel heben, sondern ein Bild von ihm wiedergeben,
das echt ist.
Glauben Sie, dass Beerdigungen
ein Moment der Wahrhaftigkeit sind? Wie ehrlich sind Beerdigungen?
Ich kann die Rede nur mit
den Informationen aufbauen, die ich bekomme. Ich muss mich dabei auf die
Angehörigen verlassen, weil ich die verstorbene Person nicht gekannt
habe. Das sage ich in meiner Rede auch. In dem Moment sehe ich mich aus
dem Schneider. Wenn etwas nicht stimmt, kann ich eigentlich nichts dafür.
Was erwarten Sie von den
Angehörigen im Gespräch über die Rede?
Ich erwarte nicht, dass
sie etwas Vorformuliertes haben. Wir dürfen nicht vergessen: Die sind
in einer Trauersituation. Manche können frei plaudern, manche
tun sich sehr schwer. Da muss man ein Gespür dafür haben, wie
man an die Infos kommt, um den verstorbenen Menschen zu erkennen. Denn
die Rede ist ja ein Abschlusswort für ein langes Leben. Ich habe die
Ehre, diesen Menschen zu verabschieden. Das finde ich toll. Gerade wenn
es gut läuft, und die Angehörigen im Anschluss sagen: Genau so
wollte ich es haben. Dann kriege ich auch eine Gänsehaut, denn im
Grunde genommen bin ich von Natur aus sehr sensibel.
Wie lange dauert ein Vorgespräch
und wo findet es statt?
Es sollte anderthalb Stunden
dauern, die Trauerrede dauert etwa 20 Minuten. Zum Gespräch gehe ich
gerne zu den Leuten ins Haus, weil ich dann einen Eindruck für die
Lebensumstände kriege. Außerdem fühlen sich die Leute da
wohler.
Was kostet die Rede?
Ich nehme 250 Euro.
Finden Sie es sinnvoll,
die Rede an einen Außenstehenden abzugeben oder könnte auch
ein Familienmitglied die Rede halten?
Wenn die Familie sagt, das
machen wir selbst, kann sie das natürlich tun. Meistens wird aber
ein Redner beauftragt, weil die Angehörigen während der Trauerfeier
oftmals nicht in der Lage sind, diese Rede zu halten. Man kann aber gut
jemanden aus der Familie mit ein paar persönlichen Worten in die Rede
mit einbauen.
Welche Worte finden Sie
bei tragischen Fällen, etwa wenn ein Kind aus dem Leben gerissen
wird?
Diese Situation hatte ich
noch nicht. Wie ich das ausdrücke, werde ich im Gespräch mit
den Angehörigen sehen.
Dann ist wahrscheinlich der
Aspekt des Tröstens wichtiger als die Biografie.
Da liegt der Schwerpunkt
auf der Transzendenz: Was gibt uns Hoffnung, was tröstet uns?
Trauern Sie mit, wenn
Sie die Rede halten?
Da ist meine Professionalität
gefragt. Aber es gibt durchaus schwierige Situationen. Zum Beispiel wenn
ein kleines Kind vorne sitzt und um seinen Opa weint. Dann würde ich
am liebsten mit weinen. Aber das darf ich in dem Moment nicht. Ich muss
weitermachen.
Anette
Schmidt aus Bad Vilbel ist ausgebildete Trauerrednerin Hinterbliebenen
beistehen: Trauerrednerin Anette Schmidt.
Viel Gefühl ist für einen Trauerredner
erforderlich. Nach vielen schlechten Erlebnissen nahm Bestatterin Anette
Schmidt das Heft in die Hand und gestaltet nun selbst würdevolle Abschiede.
Bad Vilbel. «Das kann man besser machen»,
dachte sich Schmidt mehr als einmal, wenn sie einem freien Trauerredner
zuhörte. Vieles war austauschbar und oft nur angereichert durch biografische
Daten des Verstorbenen. Auch die Mimik und Gestik des Redners und die Gestaltung
der Trauerfeier mit hohem Tempo entsprachen nicht ihrer Vorstellung von
einer einfühlsamen und würdigen Abschiedsfeier.
Durch den hohen Anteil an Konfessionslosen sind
freie Trauerredner gefragt. Im Gegensatz zur DDR ist im vereinten Deutschland
das Gewerbe der freien Trauerredner kein Ausbildungsberuf. Obwohl die Aufgabe
höchste Anforderungen an die Ausübenden stellt. Schmidt setzte
ihre Kritik konstruktiv um. Die 42-Jährige nahm beim Bundesverband
Deutscher Bestatter an Kursen zur Trauerrednerin teil.
«Bei Beratungsgesprächen zeigt sich
immer wieder, dass Angehörige durch einen Todesfall überfordert
sind. Durch meine Fortbildung kann ich den Hinterbliebenen beistehen»,
sagt Schmidt. Sie leitet seit vier Jahren das von ihrem Großvater
gegründete gleichnamige Vilbeler Familienunternehmen.
Bei den Beratungsgesprächen baut sie zu den
Angehörigen ein Vertrauensverhältnis auf. Für ein intensives
Gespräch benötigen Trauerredner anderthalb bis zwei Stunden.
Für den Ablauf der Rede ist die Biografie des Verstorbenen wichtig.
«Doch es geht nicht nur um Daten und Fakten, sondern vor allem darum,
wer dieser Mensch war und was er uns bedeutet hat. Um ein ehrliches Bild
aufzuzeigen, ist es wichtig, Sonnen- und Schattenseiten aufzuzeigen.»
Dem Redner erlaubt sei es auch, aus der Bibel zu lesen, einen Vers aus
dem Gesangbuch zu zitieren und ein Vaterunser zu sprechen. «Meine
erste Rede habe ich im Januar gehalten. Ich hatte Lampenfieber, doch der
gute Kontakt zu den Angehörigen und die mir vertraute Trauerhalle
in Vilbel gaben mir Sicherheit.»
Eine Trauerfeier umfasst die drei Komponenten
Musik, Stille und Sprache. «Wichtig ist, die Worte wirken zu lassen.»
Trauerredner werden von Bestattungsinstituten vermittelt und arbeiten in
Kooperation mit dem Gewerbe. Die Kosten für freie Trauerredner betragen
zwischen 250 und 400 Euro.