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Interview mit Anette Schmidt in der Frankfurter Rundschau vom 18. November 2010

Ich darf nicht weinen

Die Trauerrednerin Anette Schmidt spricht oft statt eines Pfarrers das letzte Geleitwort bei Beerdigungen. Tina Full-Euler hat mit ihr über Menschenkenntnis, die Erwartung der Angehörigen und schwierige Momente gesprochen.

Frau Schmidt, seit einem halben Jahr bietet Ihr Bestattungshaus einen besonderen Service an: Wenn die Angehörigen es wünschen, halten Sie die Trauerrede. Was können Sie, was ein Pfarrer nicht kann?
Ein Pfarrer macht eine Bestattung unter dem kirchlichen Aspekt. Der Pfarrer kann auch auf die Biografie eingehen, aber das macht nicht jeder Pfarrer. Wenn es den Leuten - und das ist in der Regel so - sehr wichtig ist, dass in einer Trauerrede auch die Biografie zur Geltung kommt, kann ich darauf natürlich sehr gut eingehen.

Gehen Sie nur mehr und anders oder auch besser darauf ein?
Das kann ich so nicht sagen. Dem einen gefällt es, dass ich wirklich nur über die Biografie spreche, ein anderer hätte vielleicht lieber nur Bibelverse gehört. Bestattungen sind eine ganz individuelle Sache. Ich kann als Trauerredner auf Wunsch auch einen Segen oder ein Gebet sprechen. Denn ich bin getauft, ich bin evangelisch und dann darf ich das. Ich darf es nur nicht in einer Kirche, denn dort wäre es eine Amtshandlung. Bestimmte Rituale haben meiner Erfahrung nach für die Hinterbliebenen etwas Tröstendes, etwa ein Vater unser oder der Erdwurf.

Wer Bibelverse hören möchte, könnte doch auch einen Pfarrer nehmen?
Angehörige können einen Pfarrer nur für einen Verstorbenen nehmen, der auch in der Kirche war. Sonst muss das in der Regel ein Trauerredner machen, denn derjenige hat keinen Anspruch auf einen Pfarrer. Er hatte ja auch einen Grund gehabt, warum er aus der Kirche ausgetreten ist. Es gibt aber auch manchmal den Fall, dass der Pfarrer für einen konfessionslosen Verstorbenen die Trauerfeier gestaltet, weil er sich der Familie verbunden fühlt.

Wer ist Ihre Klientel? Nur Angehörige von Verstorbenen, die nicht in der Kirche waren, oder auch der Kirche zugewandte Familien, die sich ganz bewusst eine andere Art der Beerdigung wünschen?
Es kann auch schon einmal sein, dass die Angehörigen sagen: Wir möchten gerne, auch wenn er in der Kirche war, dass Sie die Rede halten. Der eine war zum Beispiel zuvor auf einer kirchlichen Bestattung, bei der von der Biografie her nichts rüberkam. Ein anderer hat sich geärgert, weil man den Pfarrer kaum verstanden hat. Aber natürlich versuche ich, mich nicht in die Kirche reinzudrängen, weil ich denke, wer in der Kirche war, sollte auch eine kirchliche Bestattung bekommen. Allerdings werde ich den Leuten ihren Wunsch auch nicht abschlagen. Denn es ist die Entscheidung der Angehörigen, welchen Abschied sie sich wünschen.

Viele, die aus der Kirche ausgetreten sind oder nicht mehr so mit der Kirche groß geworden sind, haben einen großen Teil ihres Lebens und den Tod noch vor sich. Ist Trauerredner also ein Beruf mit Zukunft?
Man muss sehen, wie sich der Trend entwickelt. Aber ich sehe momentan einen Wandel, nämlich dass viele  wieder Wert darauf legen, die Kinder taufen zu lassen. Gerade hier in Bad Vilbel ist das Kirchenleben sehr aktiv.

Trauerredner ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Könnte sich jeder so nennen?
Ja.

Was sollte ein guter Redner an Eigenschaften mitbringen?
Menschenkenntnis. Er muss mit Menschen umgehen können, die trauern. Er sollte ein gepflegtes Erscheinungsbild haben und sich gut ausdrücken können.

Sie haben dafür eine Zusatzqualifikation erworben. Was haben Sie dabei gelernt?
Ich habe in einem Seminar gelernt, wie man die Trauergemeinde anspricht, dass die Rede eine gewisse Lyrik enthalten sollte, etwa ein Gedicht oder Verse. Das lockert auf. Wichtig sind natürlich auch Biografie und Transzendenz.

Was qualifiziert Sie noch?
>Ich habe den Vorteil, dass ich Erfahrungswerte sammeln konnte und kann, weil ich ja selbst Bestattungen durchführen darf. Dabei habe ich sehr viele Reden gehört. Und manchmal dachte ich mir: Dies oder das hätte man besser machen können. Ich finde es nicht fair, immer nur zu kritisieren und es nicht auch einmal selbst zu versuchen.

Was zeichnet eine gute Rede aus?
Auch das ist ganz unterschiedlich, je nachdem, was sich die Angehörigen wünschen. Hauptsächlich möchten die Leute etwas über den Verstorbenen hören. Dazu greife ich Stationen seines Lebens heraus. Wie zum Beispiel kürzlich bei jemandem, der wurde 1934 geboren, war als Zehnjähriger Vollwaise und auf sich allein gestellt. Er sollte in Danzig als Flüchtling auf ein Schiff kommen. Dieses Schiff wurde damals torpediert und ging mit den Flüchtlingen an Bord unter. 

Und der Junge?
Der Junge hatte das Schiff schlichtweg verpasst und deswegen überlebt. Für eine gute Rede sollte man aber auch nachgucken, welche speziellen Ereignisse es etwa in dem Jahr gab, als der Verstorbene geboren wurde. Damit man einfach die Zeit versteht, die dieser Mensch durchlebt hat.

Welche Worte finden Sie für einen Mensch, der - freundlich ausgedrückt - Ecken und Kanten hatte?
Eine gute Rede sollte den Verstorbenen nicht nur in den Himmel heben, sondern ein Bild von ihm wiedergeben, das echt ist.

Glauben Sie, dass Beerdigungen ein Moment der Wahrhaftigkeit sind? Wie ehrlich sind Beerdigungen?
Ich kann die Rede nur mit den Informationen aufbauen, die ich bekomme. Ich muss mich dabei auf die Angehörigen verlassen, weil ich die verstorbene Person nicht gekannt habe. Das sage ich in meiner Rede auch. In dem Moment sehe ich mich aus dem Schneider. Wenn etwas nicht stimmt, kann ich eigentlich nichts dafür.

Was erwarten Sie von den Angehörigen im Gespräch über die Rede?
Ich erwarte nicht, dass sie etwas Vorformuliertes haben. Wir dürfen nicht vergessen: Die sind in einer Trauersituation. Manche können  frei plaudern, manche tun sich sehr schwer. Da muss man ein Gespür dafür haben, wie man an die Infos kommt, um den verstorbenen Menschen zu erkennen. Denn die Rede ist ja ein Abschlusswort für ein langes Leben. Ich habe die Ehre, diesen Menschen zu verabschieden. Das finde ich toll. Gerade wenn es gut läuft, und die Angehörigen im Anschluss sagen: Genau so wollte ich es haben. Dann kriege ich auch eine Gänsehaut, denn im Grunde genommen bin ich von Natur aus sehr sensibel.

Wie lange dauert ein Vorgespräch und wo findet es statt?
Es sollte anderthalb Stunden dauern, die Trauerrede dauert etwa 20 Minuten. Zum Gespräch gehe ich gerne zu den Leuten ins Haus, weil ich dann einen Eindruck für die Lebensumstände kriege. Außerdem fühlen sich die Leute da wohler.

Was kostet die Rede?
Ich nehme 250 Euro.

Finden Sie es sinnvoll, die Rede an einen Außenstehenden abzugeben oder könnte auch ein Familienmitglied die Rede halten?
Wenn die Familie sagt, das machen wir selbst, kann sie das natürlich tun. Meistens wird aber ein Redner beauftragt, weil die Angehörigen während der Trauerfeier oftmals nicht in der Lage sind, diese Rede zu halten. Man kann aber gut jemanden aus der Familie mit ein paar persönlichen Worten in die Rede mit einbauen. 

Welche Worte finden Sie bei  tragischen Fällen, etwa wenn ein Kind aus dem Leben gerissen wird?
Diese Situation hatte ich  noch nicht. Wie ich das ausdrücke, werde ich im Gespräch mit den Angehörigen sehen.

Dann ist wahrscheinlich der Aspekt des Tröstens wichtiger als die Biografie.
Da liegt der Schwerpunkt auf der Transzendenz: Was gibt uns Hoffnung, was tröstet uns?

Trauern Sie mit, wenn Sie die Rede halten?
Da ist meine Professionalität gefragt. Aber es gibt durchaus schwierige Situationen. Zum Beispiel wenn ein kleines Kind vorne sitzt und um seinen Opa weint. Dann würde ich am liebsten mit weinen. Aber das darf ich in dem Moment nicht. Ich muss weitermachen.


Pressebericht in der Frankfurter Neuen Presse vom 11. Juni 2010

Sie trifft den richtigen Ton

Anette Schmidt aus Bad Vilbel ist ausgebildete Trauerrednerin Hinterbliebenen beistehen: Trauerrednerin Anette Schmidt.
Viel Gefühl ist für einen Trauerredner erforderlich. Nach vielen schlechten Erlebnissen nahm Bestatterin Anette Schmidt das Heft in die Hand und gestaltet nun selbst würdevolle Abschiede.

Bad Vilbel. «Das kann man besser machen», dachte sich Schmidt mehr als einmal, wenn sie einem freien Trauerredner zuhörte. Vieles war austauschbar und oft nur angereichert durch biografische Daten des Verstorbenen. Auch die Mimik und Gestik des Redners und die Gestaltung der Trauerfeier mit hohem Tempo entsprachen nicht ihrer Vorstellung von einer einfühlsamen und würdigen Abschiedsfeier. 
Durch den hohen Anteil an Konfessionslosen sind freie Trauerredner gefragt. Im Gegensatz zur DDR ist im vereinten Deutschland das Gewerbe der freien Trauerredner kein Ausbildungsberuf. Obwohl die Aufgabe höchste Anforderungen an die Ausübenden stellt. Schmidt setzte ihre Kritik konstruktiv um. Die 42-Jährige nahm beim Bundesverband Deutscher Bestatter an Kursen zur Trauerrednerin teil. 
«Bei Beratungsgesprächen zeigt sich immer wieder, dass Angehörige durch einen Todesfall überfordert sind. Durch meine Fortbildung kann ich den Hinterbliebenen beistehen», sagt Schmidt. Sie leitet seit vier Jahren das von ihrem Großvater gegründete gleichnamige Vilbeler Familienunternehmen. 
Bei den Beratungsgesprächen baut sie zu den Angehörigen ein Vertrauensverhältnis auf. Für ein intensives Gespräch benötigen Trauerredner anderthalb bis zwei Stunden. Für den Ablauf der Rede ist die Biografie des Verstorbenen wichtig. «Doch es geht nicht nur um Daten und Fakten, sondern vor allem darum, wer dieser Mensch war und was er uns bedeutet hat. Um ein ehrliches Bild aufzuzeigen, ist es wichtig, Sonnen- und Schattenseiten aufzuzeigen.» Dem Redner erlaubt sei es auch, aus der Bibel zu lesen, einen Vers aus dem Gesangbuch zu zitieren und ein Vaterunser zu sprechen. «Meine erste Rede habe ich im Januar gehalten. Ich hatte Lampenfieber, doch der gute Kontakt zu den Angehörigen und die mir vertraute Trauerhalle in Vilbel gaben mir Sicherheit.» 
Eine Trauerfeier umfasst die drei Komponenten Musik, Stille und Sprache. «Wichtig ist, die Worte wirken zu lassen.» Trauerredner werden von Bestattungsinstituten vermittelt und arbeiten in Kooperation mit dem Gewerbe. Die Kosten für freie Trauerredner betragen zwischen 250 und 400 Euro.